Idee & Konzept

Steinberg am Rofan ist eine der seltenen Oasen in Tirol, in denen der Tourismus noch sanft, die wunderbare Landschaft nicht durch Bettenburgen und Aufstiegshilfen verschandelt ist. Die Kehrseite der Medaille ist, dass praktisch alle Steinberger zum Arbeiten auspendeln müssen, was den örtlichen Nahversorger schon lange zusperren ließ, genauso wie den einzigen Wirt. Weshalb das, was ein Dorf erst zum Dorf macht, in den letzten Jahren immer mehr verloren ging. Es musste etwas geschehen und zwar bald. Doch was braucht die Gemeinde am dringendsten? Was ist nachhaltig und was ist finanzierbar für den an landschaftlicher Schönheit zwar reichen, aber armen Ort?

Was geschehen sollte, wollten allerdings nicht Bürgermeister Helmut Margreiter samt Gemeinderat sozusagen von oben herab entscheiden. Die Bürgen selbst sollten über die Zukunft ihrer Gemeinde bestimmen. Die Dorferneuerung des Landes Tirol unterstützte diesen zutiefst demokratischen Ansatz, mündend in einem professionell moderierten „Zukunftsdialog“, an dem 40 per Zufallsgenerator ausgewählte Steinbergerinnen und Steinberger eingeladen waren teilzunehmen. 15 davon haben die Herausforderung angenommen und nach eineinhalb Tagen ernsthaften Nachdenkens drei zukunftsträchtige Projekte erarbeitet, von denen sich die Bevölkerung im Rahmen eines Bürgercafés mit überwältigender Mehrheit für den Bau des neuen Dorfzentrums entschieden hat, in dem ein Gasthaus genauso wie ein Bauernladen und ein mutlifunktional bespielbarer Saal Platz haben sollten.

Wenige, aber große Fenster geben den Blick frei.

Da man mit sowas wie zeitgenössischer Architektur in Steinberg am Rofan keine Erfahrung hat, hat die Gemeinde 2013 einen geladenen Architektenwettbewerb ausgeschrieben, den als einziger Nicht-Tiroler der Vorarlberger Bernardo Bader gewonnen hat. Nicht zuletzt deshalb, weil sein Projekt so unaufgeregt und logisch daherkommt. So selbstverständlich in die gewachsene Struktur des Ortes im Spannungsfeld zwischen Kirche, Gemeindeamt, Pfarrhaus und Bauernhöfe gesetzt ist, dass das Dorfhaus erst auf den zweiten Blick überhaupt wahrgenommen wird. Ist es doch ganz Bernardo Baders Ding, Bestehendes weiterzudenken, weiterzubauen in einem sehr individuellen, ganz heutigen Sinn. Wobei für Bader die Sache mit dem Maßstäblichen von großer Bedeutung ist, aber auch jene einer umfassenden Nachhaltigkeit, weshalb er das Dorfhaus aus dem Holz der Lärchen gebaut hat, die im Gemeindewald gewachsen sind und in einem nicht weit von Steinberg entfernten Sägewerk geschnitten wurden.

In seiner Anlage orientiert sich Bernardo Bader an der Typologie der alten Bauernhäuser der Region. Deren Wohntrakt wird zur Gaststube samt Küche und Nebenräumen, die Tenne zum Foyer und der Stall zum großen Saal. Zusammengehalten durch ein Satteldach, dessen Schräge exakt der des Hofs nebenan entspricht. Dessen Sockel ist gemauert, des des Dorfhauses besteht aus Stahlbeton. Das Haus an sich ist aus vorgefertigtem, perfekt gedämmten Holzelementen bebaut und innen wie außen mit unterschiedlich breiten Latten aus sägerauher Lärche verkleidet. Fenster bzw. Türen nach außen hat das Steinberger Dorfhaus wenige, dafür große, sehr bewusst gesetzte.

Ein raffiniertes Spiel mit Teilungen dominiert das Innere von Bernardo Baders Architektur. Das komplett verglaste Foyer, von dem eine hölzerne Stiege zu den WCs führt, definiert die Mitte des Hauses. Links geht es zum großen, bis unter den Dachstuhl offenen, rückseitig durch ein Fensterband belichteten Saal. Die rechte Hausseite ist dagegen dem First folgend vertikal durch eine Wand geteilt. Hinter ihr ist die Küche eingerichtet, davor der bis unter das Dach offene Gastraum. Ihn hat Bernardo Bader stimmig als heutige Variante einer alten Tiroler Gaststube eingerichtet. Mit einer umlaufenden Holzbank genauso wie mit Stühlen, die an alte Melkschemel erinnern.

Quelle: Leben&Wohnen, Vorarlberger Nachrichten, Ausgabe 17./18. Dezember 2016